Casa Giuseppina & Casetta
Casa Giuseppina & Casetta
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EINREICHUNG Nr. 561
Mosogno di Sotto zählt mehr Häuser als Einwohner. Es liegt fernab der einzigen Strasse, die das steile Onsernonetal erschliesst. Im Selbstbau haben junge Architekt:innen zusammen mit lokalen Handwerkern verlassene Gemäuer zu einfachen Wohnhäusern umgebaut. Der Bauprozess war ein Balanceakt von Entscheidungen vor Ort und einer gemeinsamen Vision.

Der Selbstbau erlaubte es, laufend Anpassungen an die vorgefundene Bausubstanz vorzunehmen und nicht dringend zu ersetzende Bauteile in den Umbau einzubeziehen. Sämtliche Baumaterialien mussten zu Fuss hinunter getragen oder mit dem Helikopter eingeflogen werden. Lokale Materialien bestimmen also den Entwurf: Kastanie und Onsernonegneis. Aus eingestürzten Decken wurden hohe Räume, aus alten Ecksteinen gemeisselte Lavabos, aus offenen Feuerstellen Speicheröfen. Die feuchten Steinmauern wurden von Innen mit dämmendem Kalkputz versehen. Das Dorf ist seit dem Umbau von den Mitwirkenden belebt, zusammen mit den ursprünglichen Einwohner:innen.
Texte Davos Kriterien (Selbstevaluation)
Gouvernanz
Der Bauprozess war ein Balanceakt von Entscheidungen vor Ort und einer gemeinsamen Vision. Ausgeführt wurden die Umbauten von lokalen Handwerkern, befreundeten Helfern und den Architektinnen selbst. Gemeinsame und individuelle Lebensvorstellungen, eine Reihe von Konsensentscheidungen sowie laufende Anpassungen an die vorgefundene Bausubstanz waren dabei prägend.
Funktionalität
Die nutzbare Fläche der Häuser, und damit die Art wie darin gewohnt wird, verändert sich mit der Saison. In den kälteren Monaten wärmen Holzöfen nur die essentiellen Wohn- und Schlafbereiche. Es wird mit den Jahreszeiten gelebt: Im Sommer eignen sich die ungedämmten Zimmer unter den instandgesetzten Steindächern als zusätzliche Schlafplätze, um mehr Gästen Unterkunft zu bieten.
Umwelt
Der Umbau der verlassenen Gemäuer folgt einer klaren Priorisierung: Vorgefundene Materialien und Apparaturen wurden an Ort und Stelle wiederverwendet und nur wo nötig ersetzt. Wenn möglich wurde mit Bauteilen aus dem Materialreservoir das die Ruinen des Dorfes bargen gearbeitet. Ins Dorf gebracht wurde nur das Notwendigste. Lokale Materialien bestimmen den Entwurf: Kastanie und Onsernonegneis.
Wirtschaft
Wie das umfassende Erbe der Baukultur am Alpensüdhang einer zeitgemässen Nutzung zugeführt werden kann, ist auch über das Dorf hinaus eine relevante Fragestellung. Der Grat zwischen musealem Erhalt und zu intensiven Eingriffen ist schmal: Der Umgang mit den vielen weiteren verlassenen Häusern bleibt eine Herausforderung. Das Projekt versucht, mit der Präsenz vor Ort dem Leerstand zu begegnen.
Vielfalt
Seit der Transformation ist in den einst verlassenen Mauern wieder Leben eingekehrt. Die Casa Giuseppina hat einen geteilten Kalender und steht offen für die vielen am Umbau Beteiligten. Im Dialog mit den Bewohnern von Mosogno di Sotto konnte ausserdem ein zusammengebrochenes Haus vom Patriziat im Baurecht gewonnen werden, um in Zukunft einen Dorfplatz als Treffpunkt zu schaffen.
Kontext
Mosogno di Sotto liegt fernab der einzigen Strasse, die das steile Onsernonetal erschliesst. Eine 300 Stufen lange Steintreppe führt in die mittelalterliche Dorfstruktur. Alle Geschosse der Casetta sind im Hang ebenerdig erschlossen. In dieser topografisch komplexen Situation wurde die Bestandesaufnahme mittels 3D-Scans, Fotos und Handaufmassen durchgeführt.
Genius Loci
Weiterbauen im Innern: Die Umbauten gehen von den vorgefundenen Elementen aus. Aus eingestürzten Decken wurden hohe Räume, aus alten Ecksteinen gemeisselte Lavabos, aus steinernen Waschbecken neue Küchen, aus Feuerstellen Speicheröfen. Die ehemals feuchten Steinmauern wurden partiell von Innen mit dämmendem Kalkputz versehen. Die Raumkammern der verlassenen Häuser wurden weitgehend erhalten.
Schönheit
Die Präsenz vor Ort ermöglichte, stets auf Überraschungen einzugehen, die die historische Bausubstanz barg. So traten ganze, bis dahin zugemauerte Kammern im Hang erst beim Bauen zutage. Der Prozess des kollektiven Bauens war prägender als die Vorstellung eines fertigen Objektes. Entstanden sind zwei Häuser, die die Handschriften vieler junger Architekt:innen und lokalen Handwerker:innen tragen.
Eigenschaften
Ort
Mosogno di Sotto
Baukategorie (SIA 102)
Wohnen
Art der Aufgabe
Umbau
Art des Verfahrens
Direktauftrag
Baukosten in CHF (SIA 416)
450'000
Geschossfläche in m² (SIA 416)
210m2
Planung
2018 → 2021
Fertigstellung
2018 → 2021
Inbetriebnahme
2020
Projektbeteiligte
Architektur
Ljubica Arsic, Luca Bazelli, Caspar Bultmann, Jonas Butscher, Gülsah Canli, Béla Dalcher, Jakub Dworak, Olivia Leah Eckell, Jonathan Egli, Jasper Engelhardt, Carlo Erzinger, Valeria Falletta, Daniel Fuchs, Kathrin Füglister, Cindy Gloggner, Alessio de Gottardi, Agustin Jacky, Sarah Jacky, Jonas Jakob, Radovan Jovicic, Nora Klinger, Isabel Lehn-Blazejczak, Kaspar Looser, Cédric Moser, David Moser, Matthias Müller Klug, Tizian Naterop, Grace Oberholzer, Anna Schudel, Moritz Schudel, Marie Seeger, Sarah Silbernagel, Jonas Stähelin, Lian Liana Stähelin, Florian Stieger, Peter Stieger, Michele Tortelli, Sami Zattal und Raphael Ziltener.
Bauherrschaft
Andrea Hoffmann und Florian Stieger