Weingut Obrecht, Jenins
Herzstück des neuen Weinguts ist der Hof, genauer gesagt, der durch das Gehöft gefasste Raum eines Platzes. Um sie herum versammeln sich Bestandsbauten und, als verbindende Spange, die Bauten des neuen Torkels: aus einem unprätentiösen Haufen bestehender Gehäuse, aus Einzelstücken und Fragmenten, ist eine Assemblage, ein höherwertiges Ganzes entstanden - ein Hof. Das war im Resultat nicht voraussehbar, dennoch latent angelegt. Von der Sache her ist ein Weingut der Ort, wo Weinreben gepflegt, Weintrauben gekeltert und Wein vergoren und gelagert wird. Der Begriff «Gut» verweist auf die Werthaltigkeit des edlen Produkts, das hier hergestellt wird: der gereifte Wein ist der Schatz, der gehoben werden muss. Es handelt sich beim rahmenden Konstrukt der Architektur also um ein im Erdreich versenktes Speicherbauwerk mit vorgelagerten Werkstätten (Manufakturen), in dem die Kelterung und Gärung von Weintrauben, mithin die Kulturtechnik der Konservierung und Veredelung, vollzogen wird.
Texte Davos Kriterien (Selbstevaluation)
Gouvernanz
Schweizer Wein ist vom Landwein zum verfeinerten Genuss, zum Markenartikel geworden. Und so erhalten auch die Kellerräume neue Aufgaben: Sie sind nun Orte der Arbeit und der Repräsentation. Wie ein Wirtshausschild verkünden sie die Werte, die hier hochgehalten werden: Sorgfalt und Ambition. Es geht um gelebte Echtheit, Glaubwürdigkeit und Authenzitität. Wenn der Ort auch auf den ersten Blick als Privat erscheinen mag, ist er das nicht. Nein, es ist und soll auch ein Ort der Öffentlichkeit sein.
Funktionalität
Die Räume werden im Jahreslauf unterschiedlich genutzt, in der Erntezeit für die Traubenbereitung und die Vergärung, später für die Abfüllung des gereiften Weins in die Flaschen und der Auslieferung an die bestellenden Geniesser. Sowohl die stark verglasten lichtdurchflutenden Räume im Hofgeschoss, die viel passive Sonnenenergie aufnehmen können als auch die introvierten Räume im Untergeschoss, bieten ein grossen Potenzial für stimmige gesellschaftliche und kulturelle Anlässe.
Umwelt
Durch das Weiterbauen am Bestand kann die Qualität des Gehöfts mit Innenhof und somit das charaktertypische Ortsbild erhalten sowie verstärkt werden. Das Wiederbetreiben des Weinguts im Dorf soll auch im sozialen Sinne der Öffentlichkeit stehen. Durch das Einlassen des Kellers in das Erdreich mit dünnen, statisch leistungsstarken, hangwasserdichten Betonwänden konnte eine sehr optimierte Speicherwirkung erzielt werden. Das Bauwerk zeichnet sich durch eine sehr einfache Haustechnik aus.
Wirtschaft
Ein umfangreiches und vertieftes Variantenstudium hat gezeigt, dass das bestehende Weingut zur Sonne, das durch einen stimmigen Innenhof gekennzeichnet ist, im Süden zum Teil in der Dorf- und zum Teil in der Landwirtschaftszone sinnvoll erweitert werden kann. Insbesondere sprechen dafür, dass die bestehenden Räume weiterhin gebraucht werden können sowie der haushälterische Umgang mit Bauland, welcher auch im gegenwärtigen öffentlichen Interesse betreffend der Verdichtung nach innen stehen.
Vielfalt
Die Prüfung und Feldversuche für den Einsatz von Oxarabeton unter Verwendung des Aushubmaterials vor Ort hatte sich zur Zeit leider aufgrund der vorhandenen Erddrücke, des Hangwassers und der Statik als noch zu wenig einsetzbar erwiesen. Mit der Verwendung von einfach zurückbaubaren Konstruktionen und wieder verwendbaren Baumaterialien wie Holz, Rohaluminium, Metall, Glas, Naturstein und Recyclingbeton wurde im Sinne der Nachhaltikgteit ein grosser Stellenwert beigemessen.
Kontext
Die Einbettung des neuen Kellers in den Bungert erfolgt in starker, subtiler Rücksichtnahme in die vorhandene Topografie. Durch die Geländeaufschüttung entsteht im Südwesten eine kontinuierliche Hangneigung. Damit gelingt es auch, das neue oberirdische sichtbare Gebäudevolumen harmonisch in den Bungert einzubetten. Ferner tragen die PV-Dächer, ausser einer autonomen Stromversorung des Kellers, dem alten Wohnhaus zur Sonne und dem Stöckli, zu einem adäquaten ruhigen Ortsbild bei.
Genius Loci
Der neue Innenhof, von dem auch die alten wie neuen Remisen zugänglich sind, wird über einen Flurweg entlang der westlichen Parzellengrenze erschlossen. Durch das bewusste Abrücken der Vorfahrt an südlicher Seite des Gebäudes wird die sichtbare oberirdische Gebäudehöhe markant reduziert, gleichzeitig bietet die neu geschaffene Situation wesentliche betriebliche Optimierungen. Durch eine terrassierte Böschung fügt sich die Vorfahrt selbstverständlich und natürlich in die Topografie ein.
Schönheit
Die Räume im Kellergeschoss sind in einer baumeisterlichen Schönheit gefertigt. Sie sind in Beton belassen und in satten Farben ausgemalt, in den Vorräumen in einem tiefen indigoblau und in der Cuverie, wo der Wein in Eichenfässern reift, in einem warmem bordeauxrot. Bewusste Platzierung von Säulen, flach und geneigte Deckenuntersichten untersützen die räuliche Stimmig wesentlich. Die Materialien im Hofgeschoss mit Holz, Blech und Glas erzeugen eine einladende und öffentliche Wirkung.
Eigenschaften
Ort
7307 Jenins
Baukategorie (SIA 102)
Industrie und Gewerbe
Art der Aufgabe
Neubau
Art des Verfahrens
Direktauftrag
Baukosten in CHF (SIA 416)
BKP2: CHF 4‘000‘000
Geschossfläche in m² (SIA 416)
1'400
Planung
2017 → 2022
Fertigstellung
2019 → 2022
Inbetriebnahme
2021
Projektbeteiligte
Architektur
Bauingenieurwesen
HLKS-Planung
Projektleitung
Elektroplanung
Bauphysik
Andere
Geologie/Geotechnik
Fotografie
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